MENTAL LOAD BEI MÜTTERN: Die Last, die wir täglich tragen – und die niemand sieht!

Früher Morgen, irgendwo gegen halb sechs. Ich habe meine Augen noch nicht geöffnet, weil ich weiß, dass ich noch etwas Zeit habe, bevor der Wecker den Beginn eines neuen Arbeitstages ankündigt. Aber mein Kopf interessiert das nicht.

Er beginnt mit voller Geschwindigkeit zu rasen:

  • Was soll ich Sofka heute für die Jause einpacken? (Ich gehe im Kopf den Kühlschrank durch und überlege, was gerade verfügbar ist);
  • Ich muss ihr den Helm und die Skihandschuhe einpacken, denn heute geht es mit der Schule zum Eislaufen;
  • Nicht vergessen, ihr Geld fürs Theater mitzugeben – der Lehrer hat angekündigt, dass sie nächste Woche gehen;
  • Oh, ich war noch nicht im Keller, um zu schauen, was wir für die Spendenaktion für das lokale Obdachlosenheim abgeben könnten!
  • Benny kommt heute mit zur Arbeit – nicht vergessen, seine Medikamente einzupacken, falls ihm wieder schlecht wird; Auch nicht vergessen, ihm Futter mitzunehmen;
  • Was soll ich mir selbst zum Mittagessen vorbereiten?
  • Warte – heute ist Donnerstag – du hast mit Ana vereinbart, dass ihr Salat bestellt;
  • Also nicht vergessen, Bargeld mitzunehmen, damit du den Salat auch bezahlen kannst.
  • Hatte ich nicht Sofkas Kontrolltermin beim Augenarzt ausgemacht?
  • Sie hat sich beschwert, dass ihre Sportschuhe zu klein sind – ich muss ihr neue kaufen.
  • Hat sie genug Socken?
  • Nach der Arbeit muss ich noch ein Geschenk für eine Kollegin besorgen, die in Mutterschutz geht – was hat mir nochmal gefehlt…
  • Ach ja, die Glückwunschkarte – nicht vergessen mitzunehmen, damit die anderen Kollegen unterschreiben können;
  • Oh je, ich muss auch noch einen Text für die Karte überlegen…
  • Wann war nochmal Bennys nächster Impftermin mit den Vitaminen?
  • Haben wir genug Hundefutter für die Feiertage oder muss ich nach der Arbeit neues kaufen?
  • Und warte mal – wann hat der Tierarzt heute überhaupt offen?

Und so geht es weiter… Ich mache endlose mentale Listen, wie Sarah Jessica Parker im Film „Working Mum“. Bis ich mich schließlich dazu zwinge, die Augen zu öffnen und aufzustehen.

Ich weiß, ich bin nicht die Einzige. Wir alle machen das. Manche vor dem Einschlafen, andere – wie ich – sogar noch bevor sie die Augen öffnen.

Und das jeden Tag – ohne dass wir überhaupt merken, wie viel Zeit und Energie das kostet.

Auch ich war mir nicht bewusst, wie viele ähnliche Gedanken mir jeden Tag durch den Kopf gehen. Was ich nicht erledigt habe, was ich noch erledigen muss, was ich vergessen habe…

Und dann kommen noch die Gedanken hinzu, dass ich mich nicht genug anstrenge, dass ich vielleicht noch eine halbe Stunde länger hätte arbeiten können oder eine Stunde mehr mit Sofka verbringen sollen…

Und wann habe ich eigentlich zuletzt einen neuen Text geschrieben?

Ja, dafür gibt es einen Namen in der Wissenschaft – und das macht es real und greifbar.

Nein, es liegt nicht nur an dir. Es betrifft uns alle. Und es nennt sich Mental Load. Und – welch Überraschung – er betrifft besonders Mütter.

Zum ersten Mal wurde mir das wirklich bewusst, als ich das Buch Das Unwohlsein der modernen Mutter von Mareice Kaiser las:

„Mental Load bezeichnet die geistige und organisatorische Belastung, die jemand tragen muss, um den Haushalt und familiäre Verpflichtungen am Laufen zu halten – eine Last, die für andere oft unsichtbar bleibt.“ (S. 87)

„Superkraft“ oder chronische Überlastung?

Als Frauen sind wir gesellschaftlich von klein auf darauf konditioniert, uns um andere zu kümmern, und wir glauben, dass „Multitasking“ eine typische „Superkraft“ von Frauen ist – insbesondere von Müttern. Wir fühlen uns stark und wichtig, wenn wir es schaffen, uns um alles und jeden zu kümmern.

Wir können alles – und das alles gleichzeitig.

Aber uns ist oft gar nicht bewusst, wie belastend das alles wirklich ist.

Es geht also nicht um eine Superkraft von uns Frauen oder eine zwanghafte Kontrolle, sondern um eine psychische Last, die wir unbewusst auf uns nehmen, sobald wir die Rolle der Mutter übernehmen – als wäre sie ein ästhetisches Accessoire.

Und dann fragen wir uns, warum wir so erschöpft sind. Warum wir irgendwann einfach nicht mehr können.

Deshalb: Weil wir 24 Stunden am Tag „arbeiten“, jeden Tag, ohne Pause und ohne dringend nötige Erholung.

So lange war ich überzeugt, mein mütterliches Multitasking sei meine Superkraft.

Nein – ich bin kein Kontrollfreak. Ich gratuliere mir selbst – ich bin auf die Masche reingefallen.

Well done Patriarchy, well done.

Mir ist klar, dass meine Partnerschaft mit Marko nicht wie die meisten Ehen heutzutage ist. Auch nach zwölf Jahren Ehe ist es für uns ganz selbstverständlich, dass wir uns bei der Hausarbeit abwechseln, uns beide um Sofka und Benny kümmern – und auch umeinander. Das gehört für uns einfach dazu.

Wenn er sieht, dass der Wäschekorb voll ist, stellt er eben die Maschine an.

Wenn ich sehe, dass der Mülleimer voll ist, bringe ich ihn raus.

Aber leider hat er immer noch nicht gelernt, meine Gedanken zu lesen.

Und das ist eine der größten Illusionen unserer Zeit – dass der Partner von selbst wissen muss, was wir brauchen oder was uns stört.

Ich dachte immer, dass wir gut kommunizieren und unsere gemeinsamen Aufgaben gerecht aufteilen. Aber erst beim Lesen dieses Buches wurde mir klar, wie viel unsichtbare mentale Arbeit ich leiste – ohne es überhaupt zu merken.

Wie das Leben so spielt, war es genau in der Zeit, in der ich begann, mich mit dem Thema Mental Load auseinanderzusetzen, als Marko mich eines Morgens beim Kaffee ganz unvermittelt fragte:

„Weißt du, mir ist aufgefallen, dass du immer die bist, die Sofkas Arzttermine organisiert. Ich habe keine Ahnung, wann sie das nächste Mal zum Augenarzt oder zum Zahnarzt muss.“

„Interessant, dass dir das aufgefallen ist. Ich habe die ersten paar Termine aus einem Automatismus heraus gemacht – und danach einfach die Organisation weiter übernommen. Aber ehrlich gesagt belastet es mich, an alles denken zu müssen… Und wenn wir schon darüber sprechen – meistens fange ich gleich beim Aufwachen an, im Kopf durchzugehen, was alles zu tun, mitzunehmen oder zu organisieren ist.“

„Na dann ist es kein Wunder, dass du abends um acht schon völlig fertig bist! Hey, ich bin da – wie kann ich dich entlasten? Ich übernehme ab jetzt die Arzttermine!“

Und just in dem Moment ist ein Teil der Last von meinen Schultern gefallen.

Vom Chaos zum Farbsystem

Gute Organisation bedeutet nicht, dass das Gefühl der mentalen Überlastung verschwindet – aber sie kann es zumindest ein Stück weit lindern.

Warum sich alles merken, wenn man es auch aufschreiben kann?“ – das ist mein Motto. Es reduziert das Chaos im Kopf erheblich, nimmt es aber leider nicht vollständig weg.

Wir sind als Familie noch einen Schritt weiter gegangen. Um unseren Familienalltag besser zu koordinieren, teilen Marko und ich einen Google-Kalender auf unseren Handys. Dort stehen alle wichtigen familiären und individuellen Termine.

Ein guter Freund sagte einmal, als wir versuchten, einen gemeinsamen Termin für einen Spieleabend zu finden:

„Dein Kalender sieht aus wie Tetris – mit all diesen Einträgen und Farben! Wie findest du dich in diesem Chaos zurecht?“

Aber wenn ich unseren Familienkalender anschaue, sehe ich kein Chaos – ich sehe Struktur. Ich muss nicht mal lesen, was in welchem Termin steht – allein anhand der Farbe weiß ich, um wessen Termin es sich handelt und wann wir als Familie gemeinsame Zeit für zusätzliche Aktivitäten haben, wie eben einen Spieleabend mit Freunden.

Natürlich steckt hinter jeder Farbe ein eigenes System, das uns das Leben erleichtert: Sofkas Termine sind apricotfarben, meine violett, Markos hellblau, Familientermine gelb und sehr wichtige Termine – wie Arztbesuche – rot. Und nein, ich bin nicht die Einzige, die Termine einträgt – wir machen das beide.

Marko weiß jederzeit, wann Sofka ihren nächsten Arzttermin hat, oder wann ich mit Kolleginnen ins Kino gehe – genauso wie ich weiß, wann er zum Yoga geht oder mit Freunden Playstation spielt.

Mentale Schleife ohne Pause

Aber ja, trotz all unserer guten Organisation und unserem eingespielten Alltag wurde mir erst beim Lesen des besagten Buches klar: Ja, mein Feminismus lebt in unserer Beziehung – und trotzdem bin ich selbst ein Opfer des Mental Load, der bei Müttern auftritt.

Denn ich bin diejenige, die darüber nachdenkt, ob alle Arzttermine rechtzeitig vereinbart wurden, ob eine Kontrolluntersuchung vergessen wurde, ob an den Kindergeburtstag gedacht wurde – und das Geschenk dafür auch.

Wenn Sofka während der Schulwoche ihre Eislaufsachen mitnehmen muss; ob ich ihr Geld fürs Theater gegeben oder das Einverständnisformular für die Veröffentlichung ihres Fotos auf der Schulwebseite unterschrieben habe.

Dazu kommen natürlich die Tierarzttermine, Impfungen und die Medikamentengabe für den Hund.

Und dann noch: genug Aktivitäten und Verabredungen für die Ferien organisieren, damit dem Kind nicht langweilig wird – aber auch nicht zu viel, damit es nicht überfordert ist und Zeit zum Ausruhen, für freies Spiel oder auch einfach mal zum Nichtstun bleibt. Ja, auch darum kümmern sich Mütter, also ICH.

Und nein, ich will mit alldem nicht sagen, dass es mir schwerfällt, mich um meine Familie oder Freund*innen zu kümmern.

Im Gegenteil – ich habe mich bewusst dafür entschieden, Ehefrau und Mutter zu sein. Aber ich kann mich nicht erinnern, mich jemals freiwillig für ein zusätzliches mentales Übergewicht und ein permanentes schlechtes Gewissen angemeldet zu haben.

Oder gehört Mental Load etwa zu den „unerwünschten Nebenwirkungen“ bzw. „Nutzungsbedingungen“, die im Ehevertrag mit ultrakleinen Buchstaben aufgeführt sind – die niemand liest?

Oder haben wir, wie in Goethes Faust, alle diesen unsichtbaren Pakt mit dem Teufel geschlossen – in dem Moment, in dem wir uns entschieden haben, ein neues Leben in diese Welt zu bringen? Nur ist der Teufel in unserem Fall ein besonders hinterhältiger: das Patriarchat.

Im Unterschied zu Faust haben wir einen Ausweg – wir können ihn selbst finden, oder noch besser, gemeinsam mit unseren Partnern – wenn wir welche haben.

Emotionale und mentale Arbeit: unsichtbar, aber real

All die emotionale und mentale Arbeit, die wir leisten, ist weit davon entfernt, sichtbar zu sein – und noch weiter davon, anerkannt zu werden.

Von einer materiellen Entlohnung ganz zu schweigen.

Ich war selbst schockiert, als ich erfuhr, dass Haus- und Sorgearbeit bis zur Mitte des Mittelalters und dem Beginn des Frühkapitalismus tatsächlich als gleichwertig zu bezahlter Arbeit außerhalb des Hauses angesehen wurde. Denn beide Tätigkeiten mussten erledigt werden.

Darüber schreibt auch Silvia Federici in ihrem Buch Caliban und die Hexe. Vor der Etablierung des Kapitalismus waren Frauen in feudalen Gemeinschaften an verschiedenen Formen der Produktion beteiligt und hatten Zugang zu gemeinschaftlich genutzten Ressourcen.

Silvia Federici betont, dass Frauen damals über ein gewisses Maß an Autonomie verfügten und ihre Arbeit innerhalb der Gemeinschaft sichtbar und anerkannt war. Mit dem Aufkommen des Kapitalismus hingegen kam es zu einer systematischen Abwertung weiblicher Arbeit.

Federici argumentiert, dass der Kapitalismus eine neue gesellschaftliche Arbeitsteilung einführte, die Frauen in die unbezahlte Sphäre von Hausarbeit und Reproduktion verdrängte – wodurch ihr Beitrag unsichtbar und abgewertet wurde.

Körperliche Arbeit – oder Nicht-Arbeit – ist messbar.

Wenn niemand das Geschirr spült, sieht man es im Spülbecken – es ist greifbar.

Aber diese mentale Arbeit ist unsichtbar, und deshalb wissen viele nicht einmal, dass sie sie leisten – oder andere erkennen ihr Gewicht nicht.

Und genau das ist der Kern des Mental Load. Es gibt keinen Schalter, um ihn auszuschalten, keine rote Lampe, die anderen anzeigt, dass gerade Hochbetrieb herrscht.

Deshalb ist es wichtig, dass wir uns dessen zunächst einmal bewusst werden – damit wir ihn bei uns selbst erkennen und lernen, damit umzugehen – oder ihn zumindest zu verringern.

Damit die Last zu einem kleinen Häufchen wird, und vielleicht irgendwann ganz verschwindet. Damit die aufgewühlten Gedanken und endlosen To-do-Listen kleiner werden und, sobald sie auf Papier oder im Kalender notiert sind, dort auch bleiben.

Damit das unnötige Gedankenrauschen im Kopf aufhört.

Das ist das Ziel.

Wir brauchen keine Hilfe – wir brauchen Gleichberechtigung

Der erste Schritt zur Veränderung ist, das Problem überhaupt zu erkennen. Der zweite Schritt ist, unsere Sprache zu ändern.

Solange wir davon sprechen, dass unsere Partner uns „helfen“ im Haushalt, bei der Kinderbetreuung oder im Alltag, kommen wir nicht weiter. Denn mit dieser Formulierung rücken wir unbewusst unsere alleinige Zuständigkeit in den Vordergrund.

Wir brauchen keine Hilfe. Wir brauchen Gleichberechtigung.

Das Haus ist nicht meins. Das Kind ist nicht meins. Es ist unser Haus. Unser Kind.

Was wir brauchen, ist ein Mitstreiter. Ein Weggefährte. Ein Teamplayer. Ein Partner.

Und wenn wir unsere Perspektive und unsere Wortwahl ändern, müssen wir auch die Art unserer Kommunikation ändern – das heißt, wir müssen klar und ruhig sagen:

„Hey, ich kann nicht mehr. Könntest du bitte … übernehmen, und ich mache dafür …?“

So zauberhaft wir auch sein mögen – wir können unsere Partner nicht verhexen, damit sie unsere Gedanken lesen und unsere Bedürfnisse erraten.

Ja, es wäre magisch – aber die Realität ist alles andere als zauberhaft.

Dein Partner muss nicht wissen, was dir im Kopf herumschwirrt oder was dir zu viel wird – du musst es ihm sagen. Ruhig, klar und ohne Vorwürfe.

Denn selbst wenn unsere Partner aktiv am Familienleben teilnehmen, wie Marko, heißt das nicht, dass sie wissen, was wir tragen – und deshalb können sie auch keinen Teil der Last übernehmen, solange wir es nicht teilen.

Und du wirst überrascht sein, was sie alles schaffen – ohne dass du überhaupt eingreifen musst.

Und falls deine Partnerin Schwierigkeiten hat, ihre Bedürfnisse auszudrücken – liebe Männer: übernehmt die Initiative!

Es wird euch keine Krone vom Kopf fallen, wenn ihr einmal täglich fragt:

„Hey, wie geht’s dir? Was kann ich tun, damit es dir besser geht?“

Marko bringt Sofka jede Woche zur Logopädin, vereinbart ihre Zahnarzttermine und geht mit Benny zum Tierarzt, wenn es nötig ist.

Ich habe losgelassen. Er hat übernommen. Ich muss ihn nicht daran erinnern.

Die Welt ist nicht untergegangen. Kein Weltuntergang ist passiert.

Ich schlafe ruhiger.

Und wache selten vor sechs Uhr morgens auf.

Es ist möglich.

Herzlich,
S-Mama